5 WEGE ZU INKLUSIVER SPRACHE
Inklusive Sprache hat das Ziel, respektvoll und wertschätzend zu kommunizieren, allen Menschen Teilhabe zu ermöglichen und gesellschaftliche Vielfalt sichtbar zu machen. Was inklusive Sprache ausmacht und wie du sie anwendest: ein Überblick.
Wer die lästigen Briefe von Ämtern und Behörden kennt, weiß: Sprache kann ganz schön anstrengend sein. Neben den komplizierten Formulierungen stört vor allem der einschüchterne Ton. Die Anschreiben müssen eben rechtssicher sein. Trotzdem. Augenhöhe sieht anders aus.
Das Großartige an inklusiver Sprache? Sie erreicht genau das Gegenteil:
- Sie ist leicht zugänglich und verständlich
- Sie schließt alle mit ein
- Sie vermeidet Diskriminierung
- Sie ermöglicht Teilhabe und Chancengerechtigkeit
Um Texte und Inhalte inklusiv zu gestalten, musst du etwas Hirnschmalz hineinstecken. Oft gibt es eine bessere, aber keine perfekte Lösung. Abwägen ist angesagt. Deshalb ist es für einen souveränen Umgang mit inklusiver Sprache wichtig, ein übergeordnetes Verständnis von Inklusion, Chancengleichheit und Diversität zu entwickeln. Hier findest du Ansätze, Tipps und Beispiele, um ins inklusive Schreiben einzusteigen. 👇🏼
1. Einfachen Zugang ermöglichen
Mit Sprache verhält es sich wie mit der Tür in einem angesagten Club: Details entscheiden darüber, wer mitmachen darf und wer nicht. Deshalb ist bei inklusiver Sprache Achtsamkeit wichtig. Was für dich einfach ist, kann für andere schwer sein. Es ist nicht selbstverständlich, dass alle deine Inhalte verstehen, lesen oder hören können. Zum Beispiel aufgrund einer Behinderung oder weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist.
Das Problem: Unnötige Hürden und komplizierte Sprache erschweren die Teilhabe und wirken ausgrenzend. Auch für dich ist das unglücklich, wenn du möglichst viele Menschen erreichen willst.
Die Lösung: Gestalte deine Inhalte so barrierefrei und leicht erfassbar wie möglich. Einige Beispiele. 👇🏼
Barrierefreie Inhalte
Als Redakteur*in hast du die Möglichkeit, die digitale Barrierefreiheit deiner Inhalte positiv zu beeinflussen. Beispielsweise, indem du Texte immer sowohl schriftlich als auch gesprochen verfügbar machst – für alle, die nicht oder nicht gut hören oder sehen können. Außerdem solltest du Texte und Bilder für Vorlese-Programme optimieren, die von Menschen mit Sehbehinderung genutzt werden. Achte darauf, dass die Strukturen der Überschriften (H1 – H6) korrekt angelegt sind und du die Bilder im dafür vorgesehenen Alt-Text möglichst detailliert beschreibst. Wie gut deine Inhalte auf Vorlese-Anwendungen zugeschnitten sind, kannst du online mit WAVE prüfen.
Übrigens: Google belohnt sprachliche Inklusion. Die Suchmaschine stuft barrierefreie Inhalte höher im Ranking ein.
Verständliche Sprache
Inklusive Sprache ist einfache Sprache. Neben einem klaren Stil und Aufbau verbessern auch bestimmte Schreibweisen die Erfassbarkeit. Zum Beispiel sind zusammengesetzte Hauptwörter besser lesbar, wenn sie mit einem Bindestrich gekoppelt sind. Bildungssprachliche Begriffe oder einen bestimmten Jargon solltest du nur sparsam einsetzen. Wie du die Verständlichkeit weiter steigern kannst, erfährst du in einem Regelwerk für Leichte Sprache.
Statt: Tanzveranstaltung | Lieber: Tanz-Veranstaltung |
Statt: Musst du damit flexen? | Lieber: Musst du damit angeben? |
Statt: Mir ist ein Lapsus unterlaufen. | Lieber: Ich habe einen Fehler gemacht. |
Statt: Fünf Wege zu inklusiver Sprache. | Lieber: 5 Wege zu inklusiver Sprache. |
2. Diskriminierung erkennen und vermeiden
Denkst du über jede einzelne Formulierung nach, die du benutzt? Wahrscheinlich eher nicht. Meist verwenden wir Sprache intuitiv, ohne sie zu hinterfragen. Sie ist Ausdruck von Gewohnheiten, Traditionen, sozialem Hintergrund und lebenslangen Lernprozessen. Deshalb fällt es uns schwer, sie anzuzweifeln.
Das Problem: Wir benutzen unhinterfragt Begriffe aus problematischen Kontexten der Vergangenheit, die wir längst hinter uns gelassen glaubten. Dabei bemerken wir nicht, dass viele gewohnte Ausdrücke diese wieder aufleben lassen – und so andere abwerten, verletzen oder ausschließen.
Die Lösung: Informiere dich darüber, wie Sprache strukturelle Diskriminierung reproduziert, beispielsweise in Hinblick auf Geschlecht, sexuelle Orientierung, soziale Schicht, Bildung, Alter, Religion, Körperzustände oder Race (einer sozialwissenschaftliche Kategorie, die beschreibt, inwiefern jemand als weiß oder nicht-weiß gelesen wird). Identifiziere diskriminierende Begriffe und ersetze sie, um inklusiv zu schreiben.
Beispiel: Ableistische Sprache
Vermeide ableistische Sprache, also Sprache, die Menschen mit einer Behinderung diskriminiert. Das passiert, wenn du psychische oder körperliche Zustände als Sinnbild für zumeist negative Situationen oder Eigenschaften benutzt.
Statt: Das ging schief! | Lieber: Das lief nicht nach Plan! |
Statt: blöd | Lieber: unbedacht |
Statt: verrückt | Lieber: unfassbar |
3. Geschlechter-gerechte Sprache nutzen
Die Gerüchte sind wahr: Die deutsche Sprache ist männlich. Wenn wir das Geschlecht einer Person nicht kennen oder von einer Gruppe sprechen, nutzen wir oft nur die männliche Form: das generische Maskulinum. Zum Beispiel sagen wir, dass wir zum Arzt gehen. Auch dann, wenn es sich im konkreten Fall um eine Ärztin handelt.
Das Problem: Sprache schafft Realität. Im oben genannten Beispiel lernt unser Gehirn, dass Ärzte eher männlich sind. Das wirkt sich auf unser Handeln aus, etwa indem wir einem Arzt für kompetenter halten als eine Ärztin. Außerdem bleiben in der Sprache so Menschen unsichtbar, die weiblich gelesen werden, nicht-binär, trans- oder inter-geschlechtlich sind. Und längst nicht alle fühlen sich vom generischen Maskulinum mitgemeint. Das ist aus verschiedenen Studien bekannt.
Die Lösung: Du erreichst Geschlechterinklusion, wenn du das generische Maskulinum vermeidest, Geschlechter-Vielfalt in deinen Texten sichtbar machst und Pronomen korrekt verwendest. Man spricht dabei vom Gendern. Der Begriff leitet sich vom englischen Wort „Gender“ ab, das sich auf das soziale Geschlecht einer Person bezieht. Einige Beispiele für gender-gerechte Sprache. 👇🏼
Genauigkeit
Wenn es um eine bestimmte Person geht und du ihr Geschlecht kennst, solltest du es korrekt benennen – schon wird deine Sprache inklusiver und geschlechter-gerechter.
Statt: Samira arbeitet als Texter in Berlin. | Lieber: Samira arbeitet als Texterin in Berlin. |
Gender-Zeichen
Gendern ist zwar kein Buch mit sieben Siegeln, dafür aber mit vielen Zeichen: Die sogenannten Gender-Zeichen bieten sich an, wenn du mehrere Geschlechter meinst. Gender-Zeichen werden zwischen den männlichen Wortstamm und die weibliche Endung gesetzt. Sie haben den Vorteil, dass sie das gesamte Spektrum der Geschlechter-Vielfalt repräsentieren, also auch nicht-binäre, queere, trans* und inter* Identitäten. Anders sieht es aus bei Doppelnennung („Texter und Texterinnen“), Schreibweise mit Schrägstrich (Beispiel: „Texter/-in“) oder dem sogenannten Binnen-I (Beispiel: „TexterIn“).
Achtung: Gender-Zeichen schränken die Barrierefreiheit ein, da sie Vorlese-Programmen Probleme bereiten und oft schlecht erkennbar sind. Darum ist es sinnvoll, in der geschlechter-gerechten Sprache Gender-Zeichen sparsam einzusetzen und neutrale Formulierungen zu bevorzugen.
Gender-Sternchen („Asterisk“) | Beispiel: Texter*in |
Unterstrich („Gender-Gap“) | Beispiel: Texter_in |
Doppelpunkt | Beispiel: Texter:in |
Gender-neutrale Formulierungen
Inklusive Sprache funktioniert besonders gut mit gender-neutralen Begriffen wie „Geschäftsführung“ statt „Geschäftsführer*in“. Das ist in der Regel etwas kürzer und lesefreundlicher als eine Schreibweise mit Gender-Zeichen. Partizipialformen wie „Mitarbeitende“ oder „Teilnehmende“ sind eine weitere Möglichkeit, klingen aber recht steif und sperrig.
Statt: Ansprechpartner | Lieber: Ansprechperson |
Statt: Lehrer | Lieber: Lehrkraft |
Statt: die Mitarbeiter | Lieber: das Team |
Gender-Pronomen
Ein Beispiel für inklusive Sprache und Gendern im Alltag ist die Verwendung von Gender-Pronomen. Diese benennen unser Geschlecht. Es kann für eine Person ziemlich verletzend sein, wenn du sie mit dem falschen Geschlecht ansprichst, d. h. misgenderst. Achte daher auf die richtige Bezeichnung. Deine Pronomen in deiner E-Mail-Signatur und deinen Social-Media-Kanälen zu nennen, zeigt deine Solidarität mit allen Geschlechtern.
Weiblich | sie/ihr (she/her) |
Männlich | er/sein (he/him) |
Nicht-binär | die (they/them) |
Nicht-binäre Neo-Pronomen | dey, xier |
4. Selbstbezeichnungen verwenden
Wir sind es gewöhnt, von außen auf andere zu blicken. Deshalb haben sich Fremdbezeichnungen für manche soziale Gruppen eingebürgert, zum Beispiel für einige Völker oder für Menschen mit bestimmten körperlichen Merkmalen. Dabei handelt es sich um Begriffe, die diese Gruppe für sich selbst nicht benutzt.
Das Problem: Fremdbezeichnungen konstruieren ein Anderssein. Diese „Andersmachung“ (engl. „Othering“) führt zu Ausgrenzung und unbewussten Vorurteilen. Außerdem haben Fremdbezeichnungen oft einen negativen Beiklang und stammen aus entmenschlichenden Kontexten wie der Kolonialzeit. Deshalb sind sie hochproblematisch.
Lösung: Nutze Bezeichnungen, die eine Gruppe für sich selbst gewählt hat. Aber weil Sprache nun mal lebendig und widersprüchlich ist, gibt es manchmal auch innerhalb einer Gruppe Kritik an den jeweiligen Selbstbezeichnungen. Zum Beispiel gehen die Meinungen zur Handhabung von Selbstbezeichnungen für inter- und transgeschlechtliche Identitäten auseinander. That’s life! Bei inklusiver Sprache gibt es keine Garantie, immer alles richtig zu machen.
LGBTQIA+ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersexual und Asexual) |
BIPoC (Schwarze, Indigene und People of Color) |
Schwarze Person (wobei „Schwarz“ als Zeichen der Selbstermächtigung groß geschrieben wird) |
inter* (wobei inter* als Eigenschaft/Adjektiv klein geschrieben wird) |
trans* (wobei trans* als Eigenschaft/Adjektiv klein geschrieben wird ) |
Mensch mit Behinderung. Alternativ: behinderte Person (um zu betonen, dass die Person von der Gesellschaft aktiv behindert wird) |
5. Klischees abbauen
Machen wir ein kleines Experiment. Schließ die Augen und stell dir eine Person vor, die einen Konzern leitet. Na, was hast du gesehen? Lass mich raten: Du hast dir einen weißen, heterosexuellen, christlich sozialisierten Cis-Mann ohne Behinderung vorgestellt. Wahrscheinlich mit Anzug, Krawatte und Kurzhaar-Frisur. Falls das wirklich der Fall war, keine Sorge. Es geht den meisten so. Dieses Bild kennen wir aus Büchern, Filmen und Nachrichten. Es ist tief in unseren Köpfen verankert.
Das Problem: Leitbilder wie diese verzerren unser Bild von der Gesellschaft. Wir halten Stereotype ungewollt für die einzig mögliche (oder zumindest beste) Realität. Und versuchen intuitiv, diesen Soll-Zustand im Alltag aufrecht zu erhalten und nachzubilden. So wirken Klischees wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Unangenehm für alle, die zu Beispiel dem Leitbild oben nicht entsprechen und gern mal einen Konzern leiten würden.
Die Lösung: Bilde die Vielfalt der Gesellschaft in deinem Content ab und vermeide dabei Klischees und Stereotype. Bedenke, dass wir dazu neigen, unser Urteilsvermögen in Hinblick auf Objektivität und Ausgewogenheit zu überschätzen. Deshalb ist es wichtig, dass du dich beim inklusiven Schreiben nicht nur an Checklisten („Darf ich/darf ich nicht sagen“) oder angesagten Meinungsmacher*innen orientierst, sondern dich intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, deine Denkmuster reflektierst und dich stetig weiterbildest.
Unverhältnismäßige Darstellung | Eine Gruppe überwiegend in bestimmten (oft negativen) Zusammenhängen darstellen | Beispiel: Medien berichten über eine Gruppe überproportional oft im Zusammenhang mit Armut und Kriminalität |
Pauschalisierung | Von der gesamten Gruppe sprechen, wenn nur Teile dieser Gruppe oder einzelne Akteur*innen gemeint sind | Beispiel: Es wird nicht gesagt, dass eine Regierung, ein Regime oder eine Miliz gehandelt hat, sondern die gesamte Gruppe |
Framing („Einrahmung“) | Die Darstellung von Fakten oder Ereignissen auf eine Weise, die bereits eine Deutung nahelegt | Beispiel: Der Begriff „Flüchtlingswelle“. Geflüchtete werden mit einer Naturkatastrophe gleichgesetzt, also mit einer Gefahr. Die Verkleinerungsform „Flüchtling“ hat zudem einen bevormundenden Beiklang |
Eins auf den Weg
Dies sind nur einige Aspekte inklusiver Sprache. Für viele ist es frustrierend, Arbeit in die eigene Ausdrucksweise zu stecken und am Ende doch missverstanden oder kritisiert zu werden.
Kennst du? Dann mach dir bewusst, dass es Kritiker*innen nicht darum geht, dich als Mensch oder deine Haltung in Frage zu stellen. Vielmehr handelt es sich um Diskussionsangebote und den Wunsch, gemeinsam gesellschaftlich zu wachsen.
Weiterführende Infos rund ums inklusive Texten. 👇🏼
Quellen zu inklusiver Sprache:
Amnesty International (2021): Leitfaden Inklusive Sprache (Interner Sprachleitfaden mit vielen Tipps und Hinweisen zum Thema. Letzter Zugriff: 25. Juni 2024)
Johannes Kepler Universität Linz (2020): Inklusive Sprache. Was bedeutet das kurz erklärt? Ein Sprachleitfaden. (letzter Zugriff: 25. Juni 2024)
Netzwerk Leichte Sprache e. V.: Die Regeln für leichte Sprache. (letzter Zugriff: 25. Juni 2024)
Schach, Annika (Hannover 2023): Diversity & Inclusion in Strategie und Kommunikation
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